QM in unseren Kitas

Warum ist ein zertifiziertes QMS in Kitas / Betrieben wichtiger denn je?   –                                     Interview mit Herrn Wagner und Frau Kruschack-Gehlen

Im Dezember 2023 hat sich der Fachverband des Bezirk Mittelrhein aufgelöst, in dem unsere Kindertagesstätten (Kitas) eingebunden waren. Welche Bedeutung und welche Auswirkungen hat dies für die Kitas?

Herr Wagner: Zur Beantwortung dieser Frage muss ich etwas ausholen und ein wenig in die Vergangenheit schauen. Der Fachverband der Kindertagesstätten hat sich vor über 20 Jahren gegründet. Das ursprüngliche Ziel hatte nicht viel mit Qualitätsmanagement zu tun, sondern war eher als mitgestaltendes Element im politischen bzw. verbandlichen Bereich gedacht. Der AWO Bezirk Mittelrhein hatte zu dieser Zeit nur eine eigene Kita, die Fachexpertise lag überwiegend in den Kreisverbänden. Diese Zielsetzung wurde aber dann nie verwirklicht und letztendlich wurde zur fachlichen Ausrichtung ein gemeinsames Qualitätsmanagement entwickelt und in den Folgejahren ausgebaut. Bis Ende des letzten Jahres gehörten noch 4 Kreis- bzw. Regionalverbände diesem QM-Verbund an, die anderen Fachverbandsmitglieder waren eher stille Gesellschafter. Aus diesem Grunde wurde die Notwendigkeit, den Fachverband als eingetragenen Verein formell zu führen, in den letzten 2 Jahren immer mehr in Frage gestellt. In der zweiten Hälfte des letzten Jahres kam dann durch mehrere Überlegungen, Auflösung des Fachverbandes, Erhalt des QM Verbundes Bewegung in die Angelegenheit und die Gesellschafter des Fachverbandes entschieden sich, den Fachverband als Verein aufzulösen und das gemeinsame QM-System zu erhalten. Der Regionalverband mit seinen 54 Kindertagesstätten hatte zuvor im Herbst 2023 auf seiner Vorstandssitzung beschlossen, mit dem bisher gemeinsam entwickelten Managementsystems seinen eigenen Weg alleine weiter zu gehen.

Die neue Dreierkonstellation aus den Kreisverbänden Heinsberg, Aachen Land und Bonn Rhein-Sieg hat schnell zusammengefunden und wird gemeinsam die qualitative Entwicklung unserer Kindertagesstätten in den Fokus nehmen. Somit hat die Auflösung in Bezug auf die qualitative Entwicklung der Arbeit in den Kindertagesstätten keine große Auswirkung

Warum ist für Sie ein zertifiziertes Qualitätsmanagement in den AWO Kindertagesstätten und Betrieben wichtig?

Frau Kruschack-Gehlen: Dazu möchte ich aus dem AWO Bundesverband zitieren: “Als Betriebe der Sozialwirtschaft sind die sozialen Einrichtungen und Dienste in der AWO auf ein verbandseigenes Qualitätsmanagement (QM) festgelegt. In ihrem Statut hat sich die AWO verpflichtet, dieses Qualitätsmanagement anzuwenden und es regelmäßig von externen Stellen, etwa dem TÜV, überprüfen und zertifizieren zu lassen. Qualitätsmanagement legt fachliche Qualitätsstandards fest, die am Leitbild der AWO orientiert sind. Das QM sichert die Umsetzung der Standards, überprüft ihre Wirkung und hilft, wenn nötig, sie zu verbessern.Ein wichtiger Bestandteil des Konzeptes ist, neben verbandsspezifischen Qualitätsanforderungen, die international anerkannte Norm DIN EN ISO 9001.” (https://awo.org/awo-qualitaetsmanagement, 08.04.2024)

Um Betriebe zu führen, wird ein Managementsystem benötigt. Die AWO Betriebe nutzen hier das Qualitätsmanagementsystem.

Bedeutet dies, dass die Betriebe zwei Managementsysteme haben?

Herr Wagner: Nein.   Das Qualitätsmanagement gibt uns den Rahmen und die Grundlagen sowie Instrumente und Methoden für unsere tägliche Arbeit. Für die Kindertagesstätten gibt es einen gemeinsamen Teil, der von den QM-Systemen der Kreisverbände komplettiert wird.

Geht es nicht auch ohne Normen?

Frau Kruschack-Gehlen: Nein, denn die Normen sind das Regelwerk für unsere tägliche Arbeit. Ohne feste Regeln und eine Struktur ist die Führung eines Betriebes nicht möglich.

„Engen“ Normen die Arbeit nicht ein?

Herr Wagner: Nein, die Einhaltung der Normen trägt dazu bei, die Qualität unserer Dienstleistung zu verbessern, die Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern sowie die Effizienz der betrieblichen Abläufe. Sinnvoll beschriebene Prozesse und Arbeitsanweisungen geben den Mitarbeitenden Sicherheit für ihre Arbeit. Wichtig dabei ist es, die Prozesse so zu beschreiben, wie sie in den eigenen Betrieben auch gelebt werden können.

Wie können die Mitarbeitenden Prozesse beschreiben, wenn sie keine Ausbildung im Qualitätsmanagement haben?

Frau Kruschack-Gehlen: Die Mitarbeitenden benötigen keine QM Ausbildung. Sie können in der Regel sehr gut beschreiben, was sie für ihre Arbeit benötigen, wie die Abläufe ihrer Arbeit sind und was sie machen müssen, um Ziele zu erreichen. Natürlich unterstützen wir (Vorgesetzte und Qualitätsmanagementbeauftragte) sie bei der Beschreibung der Prozesse bei gleichzeitiger Normeinhaltung.

Was genau bedeutet „sich zertifizieren zu lassen“?

Frau Kruschack-Gehlen: Der Weg zur Zertifizierung ist ein längerer Prozess. Es setzt den Einsatz vieler Personalstunden und ein hohes Maß an Engagement der Mitwirkenden voraus, bis ein Betrieb alle Normen erfüllt um sich zertifizieren lassen zu können.

Eine anerkannte Zertifizierungsgesellschaft führt die Erstzertifizierung durch und prüft, ob alle Normen erfüllt werden. Es folgen jährliche Überwachungsaudits und alle drei Jahre eine Rezertifizierung. Wir haben dafür den TÜV Nord beauftragt.

 Warum ist die Zertifizierung wichtig? Würde es nicht genügen die Normen zu erfüllen?

Herr Wagner: Hier möchte ich anmerken, dass die bloße Erfüllung von Normen allein nicht ausreicht, um die Vorteile einer effektiven Qualitätsmangementpraxis zu realisieren. Die Zertifizierung durch eine unabhängige Zertifizierungsstelle bestätigt, dass das Qualitätsmanagementsystem tatsächlich in Betrieb ist und die Anforderungen der Normen auch wirklich erfüllt werden. Die Zertifizierung ist also eine formelle Bestätigung der Qualitätssicherungsmaßnahmen eines Unternehmens durch eine externe Instanz.

Diesen Blick von außen auf unser System halte ich für unabdingbar.

Welchen Vorteil hat „der Blick von außen“?

Frau Kruschack-Gehlen: Einen sehr großen! Wir haben beispielsweise im letzten Jahr nach dem externen Audit durch den TÜV Nord den Prozess der Vergabe von Medikamenten in der Form verbessert, dass mithilfe einer Checkliste die Mitarbeitenden in den Kitas alle wichtigen Vorgaben leichter erfüllen können und alle Beteiligten sicherer und abgesicherter sind.

Bedeutet eine Zertifizierung nicht Mehrarbeit und damit eine zusätzliche Belastung für die Betriebe?

Herr Wagner: Im Falle der Kindertagesstätten bedeutet dies, dass jede Kindertagesstätte circa alle 10 Jahre in ein „Zertifizierungsaudit“ kommt. Natürlich ist jede Prüfungssituation erstmal eine Herausforderung. Letztendlich werden aber ja die Erfüllung der sich u.a. selbst gegebene Prozesse und somit unseres Arbeitsauftrag überprüft. Ich halte dieses Intervall für akzeptabel und den Nutzen für das gesamte System mehr als wertvoll.

Welchen Nutzen haben die Kindertagesstätten und andere Betriebe von einem zertifizierten Qualitätsmanagementsystem?

Frau Kruschack-Gehlen: Es gibt für alle Mitarbeitenden auf allen Ebenen die gleichen Strukturen und gleiche Regeln. Die Arbeitsabläufe sind identisch. Als Einrichtungsleitung habe ich alle „Werkzeuge“, die ich für die Steuerung meiner Einrichtung benötige und als pädagogische*r Mitarbeitende*r alle „Werkzeuge“ für die Steuerung der Gruppe. Diese finde ich unter anderem im Qualitätsmanagement Handbuch. Ein Beispiel ist der Protokollvordruck für die Dienstbesprechung. Mit diesem Dokument kann ich Absprachen und Maßnahmen (Was ist zu tun) protokollieren. So dient der Protokollvorduck der „Kommunikation“ im Team und gleichzeitig dem „Controlling“ der Tätigkeiten der Mitarbeitenden.

Ist der Aufwand der Dokumentationen dadurch nicht hoch?

Frau Kruschack-Gehlen: Wir dokumentieren wahrscheinlich mehr als andere – wobei das Wort „hoch“ in Relation zum Wort „Nutzen“ gesetzt werden muss. Dokumentation bringt immer Klarheit und Transparenz und gibt Sicherheit und Absicherung.

Was meinen Sie mit „Sicherheit und Absicherung?

Herr Wagner: Die Protokollierung von Sachverhalten schafft zum einen Transparenz, da auch im Nachgang allen diese Information zugänglich sind, ggf. auch dann, wenn jemand nicht zugegen war. Wissen, Aufgaben, Vorgaben und auch Absprachen gehen so nicht verloren. Zum anderen dient diese Dokumentation aber auch als Nachweis

Gerade im Bezug auf den Kundenkontakt (im direkten Fall sind hier die Kinder und die Eltern gemeint) oder in Bezug auf die interessierten Parteien (Kooperationspartner, wie beispielsweise Schulen oder das Jugendamt) ist dies oftmals wichtig.

Bitte erklären Sie das genauer.

Frau Kruschack-Gehlen: Gerne. Ein einfaches Beispiel aus dem Kita Alltag ist die Wickeldokumentation. Hier werden Mitarbeitende immer wieder gefragt, wie oft das Kind gewickelt wurde – aus Interesse, aber auch wenn Eltern / Personensorgeberechtigte die regelmäßige Pflege oder den Verbrauch von Windeln kontrollieren möchten.

Mithilfe der Wickeldokumentation ist es für die Mitarbeitende einfach beides nachzuweisen. Das stärkt und unterstützt die Mitarbeitenden.

Dieses Beispiel lässt sich auf sehr viele Bereiche übertragen: Von der Anwesenheitsliste (Belegungs- und Personaleinsatz – Controlling), über hauswirtschaftliche Tätigkeiten (Einhaltung der Hygienevorschriften) bis zur Bildungsdokumentation (KiBiz Vorgabe).

Alles, was ich dokumentiere, kann die Mitarbeitende stärken und schützen.

Damit jetzt aber nicht „alles Mögliche“ dokumentiert wird, legt das Qualitätsmanagement die notwendigen Dokumentationen fest.

Welchen Nutzen haben die Arbeitgeber, in unserem Fall Sie, als Geschäftsführer, von einem zertifizierten Qualitätsmanagementsystem? 

Herr Wagner: Der Arbeitgeber erhält regelmäßig eindeutige Ergebnisse aus den Betrieben, z. B. durch Evaluationen (Bewertungen der Tätigkeit).  Als Vorgesetzter muss ich eindeutige Ergebnisse aus meinen Betrieben erhalten. Wir sagen im Qualitätsmanagement dazu: „ZDF anstatt ARD“ – das bedeutet Zahlen – Daten – Fakten anstatt Ahnen- Raten – Deuten. Eindeutige Daten aus dem eigenen Betrieb zu erheben ist neben wirtschaftlichen Aspekten eine verpflichtende Verantwortung von Vorgesetzen und Geschäftsführungen sowie Vorständen etc.

Entschließt der Arbeitgeber sich für ein zertifiziertes Qualitätsmanagement hat er aber auch Pflichten.

Welche sind dies bezogen auf das Qualitätsmanagementsystem?

Herr Wagner: Er verpflichtet sich z.B. genügend „Ressourcen“ für die Ausführung aller Prozesse in seinen Betrieben zur Verfügung zu stellen – wie beispielsweise eine gute Infrastruktur (Gebäude, Ausstattung, Materialien und Technik), qualifiziertes Personal (Schulungen müssen angeboten und finanziert werden), Einarbeitung von Mitarbeitenden, usw.

Insgesamt kann die Zertifizierung eines Qualitätsmanagementsystem die Arbeitsbedingungen und die Zufriedenheit der Mitarbeiter verbessern, indem sie klare Prozesse und Verantwortlichkeiten schafft, Schulungen und Entwicklungsmöglichkeiten bietet, die Sicherheit am Arbeitsplatz fördert, klare Kommunikation und Feedback ermöglicht und das Qualitätsbewusstsein stärkt. Es führt zu einer Minimierung von Risiken, Nutzung von Chancen und zur Steigerung der Kundenzufriedenheit. Es ist daher ein Instrument, das Unternehmen dabei unterstützt, erfolgreich und wettbewerbsfähig zu sein und Mitarbeitende schützt und unterstützt.

Vielen Dank an Herrn Wagner, Geschäftsführer des AWO Kreisverbandes Heinsberg e.V. und an Frau Kruschack-Gehlen, QMB der Obersten Leitung des kitawo – AWO Kitas im QM Verbund und QMB des AWO KV HS e.V.